Der 23. März 1956, kurz vor dem griechischen Nationalfeiertag im Andenken an den Beginn des Befreiungskampfes, war für die Griechische Gemeinde in Frankfurt ein großer Tag. 75 Angehörige unterzeichneten an diesem Tag die Satzung der neugegründeten Gemeinde.

In einer Gemeinde zu leben ist für Griechen ein altbekanntes Phänomen. Aus einem Land, das wie Griechenland sich zum Meer öffnet, zogen schon immer Menschen nach draußen. Nicht immer waren Armut und Not die Gründe. Oft waren es Neugier und Unternehmergeist, die die Griechen hinaus in die Welt trieben. So kennen wir aus der Antike die Ansiedlung von Bauern und Händlern aus Griechenland überall im Mittelmeergebiet. Oft war es freies Land, in das sie kamen, oft musste man sich mit den dort lebenden Menschen arrangieren und das Zusammenleben organisieren.

So kann es uns nicht verwundern, dass Griechen lange vor der großen Gastarbeiterwelle der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts auch in Deutschland ansässig wurden. Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts etwa kamen griechische Baumwoll- und Rauchwarenhändler nach Leipzig zur Messe. Rauchwaren haben übrigens nichts mit Tabak zu tun, obwohl der auch in Griechenland und angebaut und exportiert wird. Rauchwaren sind „rauhe“ Waren – im Gegensatz zu den glatten Baumwolltuchen – Pelze! In Leipzig hatten diese Händler ebenso wie Studenten und Gelehrte ihren Sitz im „Griechenhaus“ in der Katharinenstraße. Leider wurde dieser alte Handelshof im 2. Weltkrieg zerstört. Heute erinnert nur noch eine Gedenktafel an einem Neubau an die große Tradition. Auf dem Leipziger Brühl lebten und arbeiteten griechische Kürschner und Pelzhändler. Nach dem Kriegsende zogen viele der dort Beschäftigten hierher nach Frankfurt und machten die Stadt zu einem bedeutenden Zentrum ihres Gewerbes. Bei dem einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands waren sie ein gewichtiger Faktor im Frankfurter Wirtschaftsleben. Einige werden sich auch noch an das erste griechische Lokal auf der Hochstraße gegenüber vom Stadtbad Mitte erinnern. Drei Schwestern Anagnostopoulou waren die Inhaberinnen. Sie trugen alle wunderschöne altgriechische Namen. Da sie aber in Leipzig geboren und aufgewachsen waren, war aus „Pinelopi“- Penelope und aus „Andromachi“-Andromache geworden. Im Umkreis von Frankfurt lebten auch einige Griechen, die bereits vor dem Krieg nach Deutschland gekommen und als Ärzte und Akademiker in Deutschland geblieben waren. Diese Menschen bildeten den Ursprung der Gemeinde in Frankfurt und Hessen. Von der kommenden großen Einwanderungswelle griechischer Arbeiter konnte damals allerdings noch keine Rede sein.

Es waren diese Griechen – in der Mehrzahl Gewerbetreibende und Akademiker -, die im Jahre 1956 zur Wahrnehmung ihrer Interessen in der deutschen Gesellschaft eine Gemeinde- „Kinotita“ gründeten – nicht mehr ein zufälliges Beisammenwohnen in einer Gemeinde, sondern ein fester Zusammenschluss mit Rechten und Pflichten und klaren Zielsetzungen.

–           Es ging um den Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung der Mitglieder.

–           Man wollte die kulturellen und religiösen Traditionen des Heimatlandes pflegen und bewahren. Man wollte den bedürftigen Mitgliedern Hilfe und Unterstützung gewähren.

–           Nicht zuletzt wollte die Gemeinde gute Beziehungen zu den deutschen Behörden und Verwaltungen aufbauen und die berechtigten Interessen der Gemeinde ihnen gegenüber wahrnehmen.

Damit war von Anfang an deutlich, dass die neugegründete Gemeinde ihren Platz in allen Bereichen der deutschen Gesellschaft suchte. Grundlage ihrer Arbeit war ihre parteipolitische Neutralität, ihre geistige Offenheit und ihre Ausrichtung auf das Gemeinwohl.

Es lässt sich zusammenfassen, was das Leben und die Tätigkeit der Gemeindemitglieder prägt:

das Erbe der Vorfahren als einen kostbaren Schatz bewahren, aus dem man Kraft und Selbstbewusstsein schöpft und die Einbindung in einen lebendigen Körper, Teil werden in einem Organismus, einem Staat, wo jeder Teil seine Aufgabe hat und der nur bei einem harmonischen Zusammenspiel aller seiner Teile existieren und gedeihen kann.

Hohe Priorität besaß für die neue Gemeinde die Errichtung eines eigenen Gotteshauses. Mit Hilfe der Stadt Frankfurt konnte die Gemeinde auf einem Grundstück der ehemaligen Rothschild’schen Orangerie die Kirche Apostolos Andreas errichten und dort die Liturgie in der vertrauten griechisch-orthodoxen Form feiern. Bei der Kirchweihe war auch der Frankfurter Bürgermeister Walter Leiske anwesend und bezeugte damit den Griechen den Respekt der Stadt. Inzwischen ist diese Kirche wegen der wachsenden Zahl der Gläubigen einem größeren Neubau gewichen. Nach der Namensänderung in Agios Georgios setzt diese einen starken Akzent im Grüneburgpark und steht auch für das friedliche Zusammenleben der Religionen in unserer weltoffenen Stadt. Die Leipziger Gemeinde hatte sich übrigens auch bereits nach dem Hl. Georg benannt und feierte ihre Gottesdienste in einer Kapelle in dem schon genannten Griechenhaus.

Ein besonderes Anliegen der Gemeinde war von Anfang an die Fürsorge für die Jugend. Sie sollte mit der Sprache und den Traditionen ihrer Vorfahren aufwachsen, aber auch ihren Platz in der deutschen Gesellschaft finden. Besonders der Kinderarzt Dr. Sotirios Roufogalis setzte sich dafür ein. Viele Mütter wissen von seiner selbstlosen Tätigkeit als hervorragender ärztlicher Berater und Helfer zu berichten. In Frankfurt wurde also der erste griechische Kindergarten im Ausland gegründet. Bis heute ist der bilinguale Kindergarten ein herausragendes Projekt der Gemeinde. Nach manchen Wandlungen arbeiten heute die Mitarbeiterinnen nach dem Montessori-Prinzip und betreuen liebevoll die kleinen Schützlinge und machen sie mit dem griechischen Leben, den Sitten und Gebräuchen ihrer Vorfahren vertraut. Für die Gemeindemitglieder ist es immer eine besondere Freude, wenn die kleine Schar bei wichtigen Veranstaltungen der Gemeinde etwa der Vassilopitta – dem griechischen Neujahrsfest – auftritt und die traditionellen Festtagslieder vorträgt. Seine erste Unterkunft hatte der Kindergarten seit 1972 in gemieteten Räumen in der Schwindstraße 7.  

Für ihre vielfältigen kulturellen, pädagogischen und auch folkloristischen Aktivitäten der Gemeinde brauchte man geeignete Räume. Anfangs behalf man sich mit den gemieteten Räumen. Doch der große Traum war ein eigenes Haus, wo die Verwaltung der Gemeinde und alle ihre Aktivitäten ein Zuhause hätten. Alle waren sich darüber im klaren, dass ein solches Vorhaben große Anstrengungen und hohen finanziellen Aufwand bedeutete. Aber es war auch ein Zeichen, dass man sich in der neuen Heimat eingerichtet hatte und gleichzeitig seine Wurzeln nicht vergessen wollte. Es waren die damaligen Vorsitzenden Ioannis Tziannis und Dr. Athanasios Stefanidis, die dieses Vorhaben beharrlich verfolgten. Bei aller Bereitschaft der Gemeindemitglieder, sich finanziell zu engagieren, wussten sie, dass sie einen wirtschaftlich starken Partner brauchten. Ihn fanden sie im Verein der Kürschner und Pelzhändler, die einen wichtigen Faktor im Frankfurter Geschäftsleben darstellten und in der deutschen Gesellschaft gut vernetzt waren. Die zentrale Rolle spielte dabei Herr Dimitrios Emmanouilidis. Durch sein persönliches großherziges Engagement, seine Begeisterung und seinen unermüdlichen Einsatz konnte er seine Berufskollegen und viele andere für die finanzielle Unterstützung des großen Projekts gewinnen. Ende 1982 gelang endlich der Erwerb eines geeigneten Grundstücks in der Adalbertstraße. Der Ort war gut gewählt, nahe zur Innenstadt in einer Gegend, wo viele Griechen wohnten. Doch dauerte es noch Jahre, bis die benötigten Gelder zur Errichtung des Gemeindezentrums zusammengebracht waren. Am 29. November 1991 traf der Vorstand die Entscheidung zum Bau. Und ein Jahr später wurde der Grundstein für das künftige Griechische Kulturzentrum gelegt. Am 18. September 1994 konnte das Haus in Anwesenheit des OB Andreas von Schöler und vielen Vertretern des öffentlichen Lebens eingeweiht werden. Im Haus sind die Büros der Gemeinde, aber auch griechischer Vereine untergebracht. Im großen Saal feiert die Gemeinde ihre Feste. Hier können die Tanzgruppen üben. Eine Bibliothek und viele kulturelle Veranstaltungen und Vorträge unterstreichen die Bedeutung des Hauses für die Bewahrung und Weitergabe des kulturellen Erbes Griechenlands. Das Haus steht aber auch Vereinen für Veranstaltungen offen und wirkt so über die Grenzen der Gemeinde in die Frankfurter Öffentlichkeit. Gern nutzt auch die Deutsch-Griechische Gesellschaft den Saal für ihre Veranstaltungen.

Wer ein Haus baut, bleibt. Die Griechen – Mitglieder der Gemeinde – sind im Leben der Stadt angekommen. Sie nehmen teil am gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und religiösen Leben. Sie sind durch ihre wirtschaftlichen Aktivitäten eng mit der hiesigen Wirtschaft verbunden.  Die Griechische Gemeinde Frankfurt-Hessen ist mit ihrem Kulturzentrum ein fester Teil der Stadt und bereichert durch die Pflege ihrer kulturellen Wurzeln das weltoffene Leben der Stadt Frankfurt am Main.

Wir danken für die Urfassung des Textes Dr. Berthold Böhm – Vorsitzenden der Deutsch-Griechischen Gesellschaft Frankfurt e.V.